Die Medical Device Coordination Group (MDCG) hat ein Guidance Document entworfen, das beschreibt, wie Hersteller ihre Medizinprodukte der Klasse 1 MDR-konform in den Verkehr bringen sollen.
Das Dokument trägt den Titel Guidance Notes for Manufacturers of Class I Medical Devices. Dieser Artikel fasst dieses Dokument zusammen und gibt Herstellern dieser Produkte Tipps.
1. Was Medizinprodukte der Klasse 1 auszeichnet
a) Einteilung von Medizinprodukten in Klassen
Die Medizinprodukteverordnung MDR unterteilt Medizinprodukte in die Klassen 1, 2a, 2b und 3. Genauso macht es die Medizinprodukterichtlinie MDD. Die Klassen werden häufig auch mit römischen Ziffern geschrieben (Klasse I, IIa, IIb und III).
Die Klassifizierungsregeln weisen Produkten mit höheren Risiken höhere Klassen zu.
b) Auswirkung der Klassifizierung
Die Klassen haben keinen (!) Einfluss auf die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, deren Einhaltung die Hersteller nachweisen müssen. Vielmehr bestimmen die Klassen die Konformitätsbewertungsverfahren, um die Konformität mit eben diesen Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachzuweisen.
Für Medizinprodukte der Klasse 1 müssen keine Benannten Stellen in das Konformitätsbewertungsverfahren einbezogen werden. Zudem besteht die MDR bei Medizinprodukten der Klasse 1 nicht auf der Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems durch eine Benannte Stelle. Beides spart Zeit und Kosten.
Eine Ausnahme bilden Medizinprodukte der Klassen 1s, 1r und1m:
- 1s: Produkte, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden
- 1r: Wiederverwendbare chirurgische Instrumente (r steht für „reusable“)
- 1m: Produkte mit Messfunktion
Für diese „1*-Produkte“ müssen die Hersteller bei der Konformitätsbewertung Benannte Stellen einbinden.
Weiterführende Informationen
Lesen Sie mehr über die Klassifizierung von Medizinprodukten und über Konformitätsbewertungsverfahren.
Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Software der Klasse I.
2. Wie Medizinprodukte der Klasse 1 „zugelassen“ werden
Die MDCG beschreibt acht Schritte, die Hersteller bei derInverkehrbringung durchlaufen sollten.
Schritt 1: Überprüfung und Bestätigung, dass das Produkt ein Medizinproduktist
Die MDR hat die Definition des Begriffs „Medizinprodukt“ nahezu unverändert aus der MDD übernommen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass ein Produkt, das bisher ein Medizinprodukt war, nun nicht mehr unter den Anwendungsbereich der MDR fällt.
Schritt 2: Überprüfung, dass es ein Medizinprodukt der Klasse 1 ist
Dieser Schritt ist deshalb wesentlich, weil die MDR die Klassifizierungsregeln geändert hat. Beispielsweise fällt jetzt nahezu jede Standalone-Software nicht mehr in diese niedrigste Klasse!
Das MDCG Guidance Document, das dieser Artikel diskutiert, ist nur für Medizinprodukte der Klasse 1 anwendbar, auch wenn die meisten Anforderungen für alle Medizinprodukte gelten.
Schritt 3.a: Sicherstellen, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt sind
Dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen des Anhangs I zu erfüllen sind, ist offensichtlich. Die MDCG weist aber darauf hin, dass ggf. auch andere Vorschriften wie die Maschinenrichtlinie zu beachten sind.
Sie betont die Bedeutung des Risikomanagements und erinnert daran, dass der Nachweis der Anforderungen durch Anwendung harmonisierter Normen und Common Specifications möglich ist.
Schritt 3.b: Klinische Bewertung erstellen
Die MDCG weist darauf hin, wie wichtig der MDR die klinische Bewertung ist und dass die MDR darauf besteht, dass Hersteller
- alternative Behandlungen analysieren und vergleichen,
- Post-Market-Daten berücksichtigen,
- die Akzeptanz des Nutzen-Risiko-Verhältnisses auf Basis klinischer Daten nachweisen und
- klinische Prüfungen durchführen, wenn die vorliegende Datenlage (klinische Daten oder auch Leistungsdaten) nicht ausreichend ist.
Schritt 3.c: Technische Dokumentation erstellen
Hersteller von Medizinprodukten der Klasse 1 müssen die technische Dokumentation konform den Anhängen II und III erstellen. Das gilt natürlich für alle Medizinprodukte.
Das MDCG-Dokument geht auf einige Änderungen ein, die die MDR im Vergleich zur MDD eingeführt hat:
- Begründung der Klassifizierung
- Basis UDI-DI
- Verweis auf Vorgängerprodukte und ähnliche Produkte
- Verweis auf angewendete und dann gültige harmonisierte Normen und „Common Specifications“
- Beschreibung des Post-Market-Surveillance-Systems
Schritt 3.d: Anfrage bei Benannter Stelle
Wie bereits oben erwähnt, müssen Hersteller von Medizinprodukten der Klasse 1* eine Benannte Stelle einbeziehen, die für die entsprechenden Produktklassen akkreditiert ist:
- Devices in sterile condition: Code MDS 1005
- Reusable surgical instruments: Code MDS 1006
- Devices with a measuring function: Code MDS 1010
Hersteller können in der NANDO-Datenbank einsehen, welche Benannten Stellen für den jeweiligen Code akkreditiert sind.
Schritt 3.e: Gebrauchsanweisung und Labeling vorbereiten
Etwas überraschend ist, dass erst im Schritt 3.e die MDCG die Gebrauchsanweisung und das Labeling adressiert. Schließlich bestimmt der Anhang I deren Inhalt. Auch die klinische Bewertung setzt eine Gebrauchsanweisung voraus.
Die MDCG erwähnt, dass für Medizinprodukte der Klasse I keine Gebrauchsanweisung vorgeschrieben ist, wenn die sichere Nutzung gewährleistet ist. Weiter geht das Dokument auf die Sprachen ein (ohne eine Liste mit den geforderten Sprachen zu referenzieren) und auf die Pflicht der Händler, die Begleitmaterialien in diesen Sprachen bereitzustellen.
Symbole werden über harmonisierte Normen und Common Specifications vorgegeben; das Label muss klarstellen, dass das Produkt ein Medizinprodukt ist.
Schritt 4: Prüfen der Konformität mit den Anforderungen an die Hersteller
In diesem vierten Schritt geht es weniger um das Produkt als um den Hersteller, v. a. um dessen Pflicht, ein QM-System zu etablieren und eine Versicherung abzuschließen.
Auf die neue Pflicht nach einer verantwortliche Person gemäß Artikel 15 geht die MDCG nicht an dieser Stelle ein, sondern bereits in der Einleitung.
Schritt 5: Konformitätserklärung erstellen
Wenig überraschend ist die Forderung, das Hersteller die Konformität mit der MDR und ggf. weiteren EU-Vorschriften erklären und diese Konformitätserklärung in die Landessprachen übersetzen müssen, in denen das Produkt angeboten wird.
Schritt 6: CE-Kennzeichnung anbringen
Dieser Schritt ist ebenfalls offensichtlich: Auch die Hersteller von Medizinprodukten der Klasse I müssen die CE-Kennzeichnung anbringen, wobei bei Klasse-1*-Produkten die Nummer der Benannten Stelle Teil dieser Kennzeichnung sein muss.
Schritt 7: Registrierung des Produkts und des Herstellers in der EUDAMED
Der siebte Schritt ist in dieser Form neu: Hersteller sind verpflichtet, sich in der EUDAMED zu registrieren, woraufhin ihnen eine „SRN“ zugeteilt wird. Das gleiche gilt übrigens für EU-Repräsentanten und Importeure.
Anschließend ist es die Aufgabe der Hersteller, die Medizinprodukte zu registrieren. Dabei werden UDI-DI und Basis UDI-DI zugeteilt.
Solange die EUDAMED nicht voll funktionsfähig sei, müssen die Hersteller bzw. EU-Repräsentanten die zuständige Behörde (in Deutschland das DIMDI) informieren bzw. das Produkt registrieren.
Schritt 8.a: Post-Market-Daten sammeln und bewerten
Die MDR verpflichtet die Hersteller zur Etablierung eines Post-Market-Surveillance-Systems, das Teil des QM-Systems ist. Für Medizinprodukte der Klasse 1 müssen die Hersteller einen Bericht über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen erstellen, den Post-Market Surveillance Report. Die Anforderungen an diesen Bericht sind geringer als an die Periodic Safety Update Reports (PSUR).
Schritt 8.b: Vigilanzsystem
Die MDCG erinnert, dass die MDR die Hersteller auch von Klasse-1-Produkten verpflichtet, Field Safety Corrective Actions (FSCA) zu melden. Solange die EUDAMED nicht in Betrieb ist, gehen diese Meldungen an die Behörden (in Deutschland BfArM, in der Schweiz SwissMedic). Später werden diese Meldungen in der EUDAMED erfasst.
Relativ umfangreich beschreibt das MDCG-Dokument die Pflichten im Fall von FSCAs, wie sie zurzeit (noch) die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung festlegt.
Schritt 8.c: Umgang mit nicht-konformen Produkten
Der letzte Schritt betrifft den Umgang mit nicht-konformen Produkten. Abgesehen von den bereits erwähnten Meldepflichten (Schritt 8.b) müssen Hersteller entsprechende Korrekturen bzw. korrektive Maßnahmen ergreifen.
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3. Was Behörden bei Klasse-I-Produkten prüfen
Anders als bei höherklassigen Produkten obliegt die Überwachung von Klasse-I-Produkten und deren Herstellern v. a. den Behörden. Diese Behörden, z. B. Gewerbeaufsichtsämter und Regierungspräsidien, kommen dieser Überwachungspflicht zunehmend nach. Sie setzen dabei auf Checklisten, wie die folgende beispielhafte Liste. Bitte beachten Sie jedoch, dass nicht alle Checklisten gleich aussehen.
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Die Checklisten der Behörden orientieren sich erwartungsgemäß stark an der MDR bzw. der IVDR. Überraschender liegt der Fokus dieser Checkliste auf den Vorgaben zum Risikomanagementsystem, zur Post-Market Surveillance und zur Vigilanz. Hier gehen die Behörden auf fast jeden Teilsatz der regulatorischen Vorgaben ein.
4. Fazit
Das 20-seitige Dokument Guidance Notes for Manufacturers of Class I Medical Devices soll – wie der Name sagt – Herstellern von Medizinprodukten der Klasse I als Leitfaden dienen.
Diesem Ziel wird das Dokument gerecht. Andererseits muss klar sein, dass die darin genannten Anforderungen nicht vollständig und im Wesentlichen nicht spezifisch für Medizinprodukte der Klasse 1 sind.
Das Johner Institut unterstützt Klasse-I-Hersteller dabei, die Konformität mit regulatorischen Anforderungen schnell und einfach zu erfüllen und somit auf Inspektionen durch Behörden perfekt vorbereitet zu sein. Nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf, z. B. über unser Webformular.
Änderungshistorie
- 2023-03-04: Hinweise auf Artikel zu Klasse-I-Software ergänzt
- 2021-09-26: Überschriften nummeriert und Kapitel 3 eingefügt.
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